Addieren ins Aschgraue

Formen und Kräfte - ein mathematisch-physikalischer Gang zur Kunst

Die Schneckentreppe und ihre Abwicklung

In den Rasen eingebettet fallen zunächst mehrere Stufen auf, die absteigend kleiner werden und eine Spirale bilden.

Jede einzelne Stufe besteht aus einem Quadrat mit einem dreieckigen Ausschnitt, in den die nächste Stufe dann passt.

Dabei hat der Ausschnitt ein Viertel der Fläche des Quadrats, die folgende Stufe hat gerade die Hälfte der Fläche der vorausgehenden Stufe.

Das sieht man im folgenden Bild: das hellblaue Dreieck ist doppelt so groß wie das hellgrüne, das dunkelblaue doppelt so groß wie das dunkelgrüne.

Die Stufen fahren in dieser Weise fort, werden immer kleiner und bilden eine Spirale:

Das wäre kein Problem, wenn man sich vorstellt, dass die Stufen sich spiralig immer weiter ins Erdreich hinab anordnen — wie bei einer Wendeltreppe (bei der hier realisierten Stufenhöhe könnten allerdings nur sehr kleine Zwerge diese Treppe nutzen ...)
Diese Vorstellung führt auf eine beliebig tief absteigende Treppe.

Neben der Treppe sind Kopien der Stufen in den Rasen hinaus abgewickelt: Bei dieser Anordnung kann man beliebig viele weitere Stufen überlappungsfrei anfügen.

Obwohl wir — in Gedanken — immer weitere Stufen anfügen (und die Wendeltreppe beliebig weit nach unten führt), kommen wir durch die Abwicklung über die im Bild (und im Rasen) angedeutete Fläche nicht hinaus.

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Mathematischer Hintergrund

Wir geben der Urstufe die Nummer 0, und nehmen an, dass diese Urstufe die Fläche A0 hat (in welcher Maßeinheit auch immer).

Die nächste Stufe hat dann die Nummer 1 und die Fläche A1 = ½ A0,
dann kommt Stufe Nummer 2 mit Fläche A2 = ½ A1 = ½ · ½ · A0 = (½)2 A0, ...
allgemein hat die Stufe mit der Nummer n dann die Fläche An = (½)n A0.

Wenn wir die Flächen bis zur Nummer N zusammen addieren, erhalten wir
A0+A1+⋯+AN = A0+½ A0+ ⋯ +(½)NA0 = (1 + ½ + ⋯ + (½)N)A0.

Wenn wir nicht aufhören zu addieren, streben unsere Faktoren SN = 1 + ½ + ⋯ + (½)N gegen das, was Mathematiker und Mathematikerinnen (und Artverwandte) mit n≥0 (½)n bezeichnen. Dass diese unendlich lange Addition eine sinnvolle Bedeutung haben könnte, wird durch die ausgewickelte Schneckentreppe angedeutet.
(Man kann sogar erkennen, dass diese unendlich lange Addition insgesamt den Wert  A0 = ( ∑n≥0 (½)nA0 ergibt – also  2 = ∑n≥0 (½)n.)

Mehr mathematischer Hintergrund

Zur Begründung der Summenformeln gibt es ein Video, das allerdings die in der Vorlesung Höhere Mathematik 1 für Ingenieurstudiengänge behandelte Mathematik voraussetzt.

Man kann sich die unendlich lange Summation auch mit einer Verallgemeinerung des Turms von Babel verdeutlichen.

Zenos Paradox lässt sich mit Hilfe der hier betrachteten unendlich langen Summation auflösen (mehr dazu im Abschnitt 12.1 des Büchleins Begegnungen mit Mathematik).

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