Zunächst war ich in der Schule schon von der Mathematik begeistert. Allerdings interessierte
ich mich auch sehr für Physik und Informatik. Deswegen fiel meine Studienwahl auf den Studiengang
Simulation Technology (SimTech) hier an der Uni Stuttgart. Neben der Mathematik gehören im
Grundstudium Vorlesungen aus den Ingenieurswissenschaften, der Physik und der Informatik zur
Ausbildung. Dies passte also sehr zu meinen Interessen nach dem Abitur. Im Laufe des
SimTech-Studiums gibt es ab dem dritten Semester viele Wahlmöglichkeiten, sodass man sich sehr
individuell im Bereich der Simulationen vertiefen kann. Ein Muster, das sich durch die
Nicht-Mathematikfächer zog, war, dass die Vorlesungen schwammig wurden, sobald mathematisch
komplexe Fragen in der Vordergrund traten. Da Simulationsmodellen meist mathematische Modelle zu
Grunde liegen, wurde dieser Punkt in vielen Vorlesungen erreicht. Für mich kristallisierte sich
also heraus, dass ein vertieftes Verständnis der Mathematik in allen Teilbereichen der
Simulationstechnik von großem Vorteil ist. Somit wählte ich meine Vertiefungen unter anderem in der
Numerischen Mathematik. Schlussendlich entschloss ich mich zu einer Promotion in der Mathematik am
Institut für Angewandte Analysis und numerische Simulation mit einer Anstellung als
wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Hätten Sie im Rückblick dann lieber Mathematik studiert?
Für mich war der Bezug zur Anwendung immer ein Antrieb, mich in komplexe Theorien
einzuarbeiten. Daher bin ich, für mich persönlich, mit meiner Studienwahl sehr zufrieden. Es gab
allerdings auch SimTech-Studierende, die noch im Laufe des Bachelors zu einem Mathematik-Studium
gewechselt sind, da sie sich mehr mit der reinen Mathematik auseinandersetzen wollten. Eine
pauschale Aussage ist also nicht möglich. Das größte Problem, das ich im Rückblick sehe, ist, dass
man diese Entscheidung erst so richtig treffen kann, wenn man anfängt eines der beiden Fächer zu
studieren. Es ist also keine Schande, sich noch während dem Studium umzuorientieren.
Und in welchem Bereich promovieren Sie dann genau?
Diese Frage bekommt man als Promovierender oft gestellt. Üblicherweise antworte ich auf diese
Frage mit der Gegenfrage, wie gut sich die Fragenden mit mathematischen Modellen auskennen. Wenn
sich mein Gegenüber damit nicht auskennt, erzähle ich, dass mathematische Modelle für virtuelle
Experimente (also Simulationen) benötigt werden und ich mich damit beschäftige, diese Modelle zu
beschleunigen. Dabei betone ich, dass sich solche Methoden losgelöst von der Anwendung entwickeln
lassen. Dies ist ein großer Vorteil, da anwendungsübergreifende Lösungen geschaffen werden. Damit
sich mein Gegenüber etwas Konkretes vorstellen kann, nenne ich beispielhaft das Muskelmodell, das
hier an der Uni Stuttgart entwickelt wird. Dieses wird genutzt, um Muskel besser zu verstehen und
Krankheiten zu untersuchen.
Wenn mein Gegenüber Bezug zur Mathematik hat, werde ich etwas spezifischer: Ich promoviere im
Bereich der Modellreduktion. Wir schaffen Ersatzmodelle, indem wir hoch-dimensionale (meist
dynamische) Systeme in niedrig-dimensionale Unterräume projizieren. Da die Dimensionalität des
Problems üblicherweise direkt mit der Rechenzeit korreliert, wird mit diesem Schritt die Rechenzeit
reduziert und ein "günstiges" Ersatzmodell berechnet. Die Schwierigkeit liegt dabei in einer
geschickten Wahl des niedrig-dimensionalen Unterraums, damit in diesem Schritt ein möglichst
kleiner Fehler entsteht. Bestimmte Probleme lassen sich mittels Modellreduktion bei kleinem Fehler
bis zur Echtzeitfähigkeit reduzieren. Somit können diese Modelle in ganz neuen Kontexten eingesetzt
werden, wie z.B. in der modellbasierten Regelung. Außerdem werden die Ersatzmodelle der
Modellreduktion eingesetzt, wenn ein Modell sehr oft ausgewertet werden muss - wie z.B. bei
Parameterstudien oder der Quantifizierung von Unsicherheiten im Modell.
Was begeistert Sie an der Promotion am meisten?
Am aufregendsten finde ich die Teilname an wissenschaftlichen Konferenzen. Zunächst gibt es
im Bereich der Modellreduktion eine sehr gut vernetzte Community. Man trifft also eigentlich auf
jeder Konferenz ein bekanntes Gesicht, mit dem man sich über die neusten Trends in unserem
Fachbereich austauschen kann. Außerdem begeistert mich bei Konferenzen das Halten von Vorträgen vor
Fachpublikum. Nur weil man gut in der eignen Forschung ist, heißt das noch lang nicht, dass man
diese auch gut präsentieren kann. Deswegen muss man sich für den Vortrag zunächst gut überlegen,
wie man seine Forschung prägnant darstellen kann. Hier gilt es die Gratwanderung zwischen zu vielen
Details und einem mathematisch fundiertem Vortrag zu meistern. Wenn dies gelingt, bekommt man
üblicherweise eine gute Rückmeldung und interessante Rückfragen im Anschluss an seinen Vortrag.
Dies ist extrem hilfreich, da hier Hinweise auf ähnliche Arbeiten oder kritische Rückfragen kommen,
die einem ermöglichen, die eigene Forschung aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Nicht
selten werden solche Diskussionen auch nochmal beim gemeinsamen Essen aufgegriffen. Alles in allem
sind Vorträge auf Konferenzen also eine super Möglichkeit, um externe Eindrücke zu seiner Forschung
zu erlangen und "outside the box" zu denken. Und selbst wenn man keinen Vortrag hält, kann man die
Möglichkeit nutzen, um sich bei anderen Vortragenden abzuschauen, wie sie die eben geschilderten
Aufgaben meistern.
Was überraschte Sie bei Ihrer Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am meisten?
Neu war für mich, Tätigkeiten im Bereich der Lehre zu übernehmen. Dazu gehört das Erstellen
von Übungsblättern, das Halten von Vortragsübungen in einem großen Vorlesungssaal oder sogar,
vertretend für die Dozierenden, das Halten einer Vorlesung. Ich nehme stark an, dass das für
Studierende der Mathematik im übertragenen Sinne nicht viel Neues ist, da diese während dem Studium
im Bereich der Lehre oftmals Erfahrungen als Vorlesungstutor sammeln. Allerdings konzentrierten
sich meine Tätigkeiten als studentische beziehungsweise wissenschaftliche Hilfskraft während meinem
Studium im Bereich der Entwicklung und Implementierung von Simulationswerkzeugen, sodass ich zum
Beginn meiner Promotion ein Neuling auf dem Gebiet Lehre war. Es gab aber immer die Möglichkeit,
einen erfahrenen Kollegen oder eine erfahrene Kollegin um Hinweise oder Rückmeldung zu bitten.
Damit ließ sich schnell ein Zugang zu dem Thema finden. Außerdem ist das Lehren eine gute
Möglichkeit, die im vorgehenden Paragraph angesprochene Fähigkeit zu trainieren, Wissen
verständlich zu präsentieren.
Wissen Sie schon, wie es nach der Promotion weiter gehen soll?
Dazu habe ich mir ehrlich gesagt noch nicht sehr viele Gedanken gemacht. Durch meinen starken
Bezug zur Anwendung kann ich mir vorstellen in die Industrie zu wechseln. In der Region Stuttgart
und darüber hinaus gibt es diesbezüglich ja eine weitreichende Auswahl. Mir wäre es allerdings
wichtig, einen Bezug zur Wissenschaft zu halten, da mir das wissenschaftliche Arbeiten sehr
gefällt.
Vielen Dank für das Interview und weiterhin alles Gute für Ihre Promotion!
Patrick Buchfink M.Sc.
Institut für Angewandte Analysis und numerische Simulation