Herr Professor Geck, was ist Ihr Forschungsgebiet innerhalb der Mathematik?

1. Februar 2017

Porträts am Fachbereich Mathematik

 

Mein Arbeitsgebiet innerhalb der Mathematik ist die Algebra, genauer gesagt Gruppentheorie. Bereits in einer Algebra-Grundvorlesung lernt man üblicherweise den Begriff einer einfachen Gruppe kennen. Dies sind die elementaren Bausteine (oder "Atome"), aus denen sich alle endlichen Gruppen zusammensetzen. Wie sich im Verlaufe der Entwicklung herausgestellt hat, sind solche Gruppen alles andere als einfach im Sinne von "leicht zu behandeln", sondern die Klassifikation der endlichen einfachen Gruppen ist eines der komplexesten Theoreme der gesamten Mathematik überhaupt---mit einem Beweis von geschätzt etwa 10000 Seiten (zehntausend, die Anzahl der Nullen ist korrekt!).In diesem Bereich beschäftige ich mich mit einer bestimmten Klasse von endlichen einfachen Gruppen, den sogenannten Chevalley-Gruppen oder Gruppen vom Lie-Typ. Dies sind so etwas wie algebraische Analoga der reellen oder komplexen Lie-Gruppen. Anstelle von Differentialgeometrie wird zu ihrem Studium algebraische Geometrie benötigt, und zwar über algebraisch abgeschlossenen Körpern positiver Charakteristik.

Was fasziniert Sie an der Mathematik?
Für mich ist daran faszinierend, dass hier einerseits verschiedene mathematische Theorien zusammenfließen, und andererseits auch Computer gewinnbringend eingesetzt werden können, wobei es das Ziel ist, exakt oder symbolisch zu rechnen. Mit Hilfe von modernen Computer-Algebra-Systemen (wie GAP, Magma, Sage, ...) kann man zum Beispiel systematisch nach Gegenbeispielen suchen, Materiel zur Unterstützung von Vermutungen sammeln, oder überhaupt erst auf die richtige Idee für ein theoretisches Argument gebracht werden. Methodisch hat dies oft einen experimentellen Charakter, also etwas, was viele eigentlich nicht mit reiner Mathematik im klassischen Sinne verbinden. Seit vielen Jahren wirke ich an der Entwicklung eines solches Systems ("CHEVIE") mit und setze dies aktiv in meiner Forschung ein.

Ebenfalls finde ich es bemerkenswert, dass solche teilweise sehr abstrakten, vermeintlich anwendungsresistenten Theorien schließlich doch konkrete Anwendungen haben. Man denke nur an die Entwicklung von bestimmten Codes zur Datenübermittlung, die zum Teil auf sehr interessante Weise mit endlichen einfachen Gruppen verwoben sind (Stichwort: Golay-Code).

Und schließlich noch ein Wort zur Mathematik im Allgemeinen. Ich hatte die Chance, mehrere Jahre in Frankreich und Schottland zu leben und zu arbeiten, was ich als sehr bereichernd empfunden habe. Es wird oft gesagt, dass die Sprache der Mathematik universell ist und nicht davon abhängt, ob sie etwa in französisch, englisch, chinesisch, schwäbisch oder irgendeiner anderen Sprache ausgedrückt wird. Tatsächlich, so habe ich es jedenfalls erfahren, gibt es auch so etwas wie eine sprach- und kulturunabhängige, also im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlose internationale Gemeinschaft der Mathematiker---was doch eigentlich eine schöne, beachtliche Sache ist.

Prof. Dr. Meinolf Geck
Lehrstuhl für Algebra
Institut für Algebra und Zahlentheorie

Apl. Prof. Dr. Jens Wirth
Prof. Dr. Meinolf Geck

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