Interview mit Dr. Andreas Langer

30. August 2019 /

Porträts am Fachbereich Mathematik

Herr Dr. Langer, Sie haben unlängst im Fachbereich Mathematik habilitiert. Wie war das?

Teilweise anstrengend. Vor allem die letzten zwei Wochen vor der Prüfung empfand ich als stressig. Aber ich vermute, das ist auch so gewollt.

Wieso genau die letzten zwei Wochen? Eine Habilitation dauert doch in der Regel mehrere Jahre?

Man muss hierzu wissen, dass man die Habilitation in zwei Teile einteilen kann. Einerseits die Forschung, die sich über mehrere Jahre erstreckt und dann in eine Habilitationsschrift mündet, und andererseits die Habilitationsprüfung, die mit der Habilitationsschrift eigentlich nichts gemeinsam hat. Dabei kann zwar auch schon mal die Forschung anstrengend sein, aber das empfinde ich dann nicht als so stressig, da die Forschung das ist was mir großen Spaß bereitet. Bei der Habilitationsprüfung verhält es sich so, dass man bei der Habilitationskommission drei Themenbereiche vorschlägt, die allerdings nichts mit der eigenen Forschung und der Habilitationsschrift zu tun haben dürfen. Welchen Themenbereich dann die Kommission auswählt, erfährt man genau zwei Wochen vor der Habilitationsprüfung. Und diese zwei Wochen hat man dann Zeit sich in dieses Thema einzuarbeiten und einen Vortrag darüber vorzubereiten.

Also deshalb zwei Wochen und die dann mit Vollgas.

Genau. Da bleibt auch keine Zeit für etwas anderes mehr. Aber man weiß, dass auch die Zeit danach kommt. Grundsätzlich verhält es sich aber mit jeder Prüfung so - mit Ausnahmen - dass man meist schon früher als zwei Wochen weiß, was Thema der Prüfung ist.

Wie Sie eben sagten, besteht die Habilitation aus zwei Teilen. Nun zum ersten Teil. Was war das Thema Ihrer Habilitationsschrift?

Die Themen meiner Forschung und somit Habilitationsschrift kann man unter dem Titel “Numerische Verfahren zur Minimierung der totalen Variation” zusammenfassen.

Was ist die “totale Variation”?

Salopp gesagt, handelt es sich dabei um ein Maß für die Änderung (Oszillation) von Funktionen, wobei das Adjektiv “total” eine endliche Änderung andeutet. Die Funktion muss dabei auch nicht stetig sein, sondern nur lokal Lebesque-integrierbar.

Können Sie mir ein Beispiel nennen, wo die totale Variation verwendet wird?

In der Bildrekonstruktion hat sich mittlerweile die totale Variation etabliert. Dabei befasst man sich mit der Rekonstruktion von verrauschten oder allgemeiner gestörten Bildern. Bilder besitzen in der Regel Kanten, welche zum Beispiel Objekte visuell trennen. Die totale Variation erlaubt im Rekonstruktionsprozess diese Kanten tatsächlich zu erhalten. Das heißt, die totale Variation ermöglicht unstetige Lösungen. Dies macht auch die Schwierigkeit aus, effiziente numerische Verfahren zu konstruieren. Genau solche Verfahren zu konstruieren und theoretisch zu untersuchen war Thema meiner Habilitationsschrift. Um noch ein konkretes Anwendungsbeispiel zu nennen, indem die totale Variation eine Rolle spielt: Magnetresonanztomographie.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Forschungsthema besonders?

Das Schöne an diesem Thema ist die Verknüpfung von Anwendungen und der theoretischen Mathematik, meistens Funktionalanalysis. Damit ist das Thema auch sehr abwechslungsreich. In meiner Forschung habe ich mich zum Beispiel mit den Bereichen Modellierung, Methodenentwicklung, Diskretisierung und Implementierung beschäftigt.

Und man hat immer Bilder die man bei Vorträgen herzeigen kann. Auch wenn das jetzt etwas lustig gemeint war, ermöglicht es die Problemstellung und Ergebnisse leichter zu erklären und zusätzlich kann sich jeder etwas unter einem Bild vorstellen. Das interessante bei vielen Bildrekonstruktionsproblemen ist, dass die dazugehörigen Modelle auf einfach scheinende Optimierungsprobleme führen. Mit “einfach scheinend” meine ich, dass das Zielfunktional relativ kurz und leicht verständlich ist und oft auch keine expliziten Nebenbedingungen benötigt werden. Allerdings sind sie alles andere als einfach, da wegen der schon vorhin erwähnten Unstetigkeiten die Funktionenräume über die minimiert wird, sagen wir, unangenehm sind. Zusammengefasst bedeutet das, man hat ein leicht zu verstehendes Problem, das sehr schwer zu lösen ist. Und das macht auch den Reiz an diesen Problemen aus.

Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?

Über meine Doktorarbeit, die ich an der Johannes Kepler Universität Linz schrieb. Dabei habe ich mich schon mit Fragestellungen rund um die totale Variation und Bildrekonstruktion beschäftigt. Seitdem hat mich dieses Thema nicht mehr losgelassen. Obwohl ich mich jetzt schon viele Jahre mit diesem Thema beschäftige, finde ich immer wieder praxisrelevante Fragestellungen im Zusammenhang mit der totalen Variation, die noch ungelöst sind.

Können Sie hierfür ein Beispiel nennen?

Ja, natürlich. Optimierungsprobleme die in der Bildrekonstruktion entstehen, bestehen oft aus einem Datenterm, einem totalen Variations-Term und einem Parameter der die Wichtigkeit der zwei Terme angibt. Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass dieser Parameter lokal (im Bildbereich) unterschiedlich sein sollte. Allerdings ist bis dato nicht klar wie ein optimaler lokal variierender Parameter im Allgemeinen automatisch erhalten werden kann. In dieser Richtung tut sich im Moment einiges.

Sie leiten gemeinsam mit Prof.Bernd Flemisch das SimTech-Projekt “Data-driven optimisation algorithms for local dynamic model adaptivity”. Worum geht es in diesem Projekt und wie passt es in Ihre bisherige Forschung?

Ziel dieses Projektes ist es ein datengetriebenes, optimierungsbasiertes adaptives Modell für die Gasspeicherung zu entwickeln, zu analysieren und Methoden zu entwickeln, um dieses zu lösen. Mit adaptiven Modellen und Optimierungsproblemen habe ich mich schon im Zusammenhang mit Bildrekonstruktionsproblemen beschäftigt. Zugegeben hat dieses Projekt nichts mit Bildverarbeitung zu tun. Bekanntes Terrain etwas zu verlassen macht unteranderem auch den Reiz dieses Projektes aus. Hingegen ist Bernd Flemisch ein Experte für Strömungs- und Transportprozesse, wie wir sie hier betrachten. Daher ergänzen wir uns bei diesem interdisziplinären Projekt sehr gut. In diesem Sinne passt dieses Projekt hervorragend in mein Forschungsprofil.

Vielen Dank für das Interview.

Ich danke für Ihr Interesse!

Dr. Andreas Langer
Institute of Applied Analysis and Numerical Simulation
Numerical Mathematics for High Performance Computing

Zum Seitenanfang