Interview mit Prof. Markus Stroppel

15. September 2023

Porträts am Fachbereich Mathematik der Universität Stuttgart - Prof. Markus Stroppel

Von Ihnen gibt es Bücher zu projektiver Geometrie, zu lokal-kompakten Gruppen, Vorlesungen zu Lie-Algebren, zu Inzidenzgeometrie und zur Gruppentheorie. Sind Sie Geometer oder Algebraiker oder Topologe?

Für mich sind diese drei Gebiete eng verzahnt, sie profitieren gegenseitig voneinander. Ergebnisse und Methoden aus jedem dieser Gebiete können sehr nützlich zum Studium der anderen beiden sein. Das ist nichts Besonderes: Wenn man in der Mathematik tief genug gräbt, wird man vermutlich immer von anderen Gebieten der Mathematik profitieren. Ich denke, das liegt auch an der in der Mathematik angestrebten Abstraktheit, die es erleichtert, Konzepte in ganz neuen Zusammenhängen wiederzuerkennen.

Konkret an einem sehr kleinen Beispiel:
Das Logo unserer Fachgruppe Mathematik kann man interpretieren als eine Darstellung der projektiven Ebene der Ordnung 2 - und ist dann in der Inzidenzgeometrie unterwegs.

Logo-ohne-Text

Das Logo lässt sich auch lesen als eine Darstellung des Verbands der Untervektorräume eines dreidimensionalen Vektorraums über dem Körper mit 2 Elementen - jetzt sind wir in der (linearen) Algebra. Und auf jeden Fall ist das Logo perfekt geeignet, um die zweitkleinste nicht kommutative einfache Gruppe zu verstehen: die Gruppe PSL(3,2).

Sie sind der Leiter des Lehrexportzentrums Mathematik (LExMath) und halten regelmäßig die Höhere Mathematik 1/2 für Ingenieurstudiengänge. Vielleicht können Sie uns helfen: Wie kann man jemanden von der Existenz imaginärer Zahlen überzeugen?

Ich würde (nachdem man sich vielleicht an Hand der Suche nach Nullstellen von algebraischen Gleichungen klar gemacht hat, dass die natürlichen, ganzen, rationalen und reellen Zahlen jeweils noch Wünsche offen lassen) die Konstruktion erst so anlegen, dass man für Paare reeller Zahlen (also Punkte in der Ebene) eine Addition und eine Multiplikation festlegt: Die Addition ist nichts Überraschendes, die Multiplikation gewöhnungsbedürftig.Dann sollte man sich eine Weile mit diesem Konstrukt beschäftigen, um konkret zu erfahren, dass die geometrische Interpretation in der Ebene einem hilft, diesen neuen Rechenbereich tiefer zu verstehen.

Wer Mathematik studiert, sollte irgendwann dann auch mal über allgemeine algebraische Strukturen nachdenken, und die Rolle der Topologie beim Aufbau des Körpers der reellen Zahlen studieren - da landen wir wieder im Bereich der Eingangsfrage ...

Wie wörtlich kann man den Vorgang des Begreifens nehmen?

Ich denke, es ist kein Zufall, dass hier für einen geistigen Vorgang eine so anschauliche Sprechweise verwendet wird: Die geometrische Vorstellungskraft wird wesentlich unterstützt durch frühere Erfahrungen im Spiel mit Bauklötzen (wenn man solche haben durfte). Für die Lehre in Mathematik setze ich deswegen seit einigen Jahren verschiedene Modelle (z.B. Quadriken, oder Graphen von Funktionen in zwei Veränderlichen) ein: Das sind real existierende Objekte aus dem 3D-Drucker, die abstrakte Mathematik in den Übungen hoffentlich zum Greifen nah bringen.

Ist es eigentlich schwierig, eine Vorlesung mit 2600 Teilnehmern über die Bühne zu bringen?

Ja. Aber ich werde dabei ja nicht allein gelassen, sondern kräftig unterstützt durch Norbert Knarr, Matthias Künzer, Boris Krinn, Anna Sändig, Dominik Zimmermann und die vielen Mitarbeiter:innen und Tutor:innen, die an diesen  Veranstaltungen beteiligt waren und sind. Trotzdem bin ich froh, dass die Zahlen wieder zurück gehen und  die Vorlesung nicht mehr in 4 Schichten parallel gehalten werden muss.  

Sie gehen ja auch auf Entdeckungstour über den Campus Vaihingen. Die dort zu findenden mathematischen Besonderheiten wurden in einem Rundgang den Betrachtern nahegebracht. Aber auch Flora und Fauna gedeihen hier. Hätten Sie uns ein Foto?

Ja, gerne! Darf es ein Star sein (vom Parkplatz hinter dem Gebäude PWR7):

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Die Fragen stellte Priv.-Doz. Dr. Matthias Künzer

Prof. Markus Stroppel
Leiter des Lehrexportzentrums Mathematik 

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