Erstmals Lichtstrudel in Metallen beobachtet

17. März 2017

Dem Bahndrehimpuls von Plasmonen zusehen

Ein internationales Forscherteam aus Israel und Deutschland hat erstmals beobachtet, wie Lichtwellen auf Metalloberflächen, sogenannte Plasmonen, einen Strudel ausbilden und wie sich dieser Strudel dann dreht. Der Fachbegriff dafür lautet „Bahndrehimpuls“. Die Größenskala, auf der das geschieht, ist weit unterhalb der Lichtwellenlänge im Bereich von unter 100 Nanometern, und die Forscher konnten den Lichtstrudeln im Femtosekundentakt zusehen. Die bahnbrechenden Ergebnisse werden in der führenden Fachzeitschrift SCIENCE am 17. März 2017 veröffentlicht.

Symbolbild der Wechselwirkung von Licht
mit einer Goldoberfläche mit 4-fach
symmetrischen Archimedischen Spiralen:
Plasmonen mit Bahndrehimpuls werden
angeregt und spiralen auf das Zentrum zu.
© Universität Stuttgart, Bild von Sven Hein.

Wenn sich die Erde um die Sonne dreht, dann gibt es zweierlei Arten von Bewegung. Zum einen dreht sich die Erde um sich selbst, sie rotiert um eine Achse durch Nord- und Südpol. Diese Bewegung dauert einen Tag. Zum anderen dreht sich die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne, diese Bewegung dauert ein Jahr. Beide Bewegungen sind mit sogenannten Drehimpulsen verknüpft. Schaut man sich ein einfaches Modell eines Wasserstoffatoms an, so gibt es ähnliche Bewegungen – zum einen dreht sich das Elektron um sich selbst, das nennt man seinen „Spin“, und das Elektron bewegt sich um den Atomkern, auch diese Bewegung ist mit dem Bahndrehimpuls verknüpft.

Interessanterweise gibt es eine solche Analogie zur Makro- und Mikrowelt auch beim Licht: Photonen können so etwas ähnliches wie einen „Spin“ aufweisen, man bezeichnet es mit dem Fachbegriff der „Helizität“: das Licht kann links- oder rechts-zirkular polarisiert sein. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob Licht auch einen Bahndrehimpuls aufweisen kann, ganz analog zu den klassischen Elektronen im Atom oder bei der Bewegung der Erde um die Sonne. Die Antwort lautet „ ja“, und dieser Bahndrehimpuls, englisch „orbital angular momentum“, ist seit kurzem ein hoch aktuelles Forschungsgebiet der Optikforscher. Man erhofft sich, diesen Bahndrehimpuls zu nutzen, um Informationen bei der Übertragung mit Glasfaserkabeln zu kodieren oder auch verschränkte Photonen für die sichere Datenübertragung herzustellen.

Der Trend zur Miniaturisierung hat auch nicht vor der Optik halt gemacht, und immer kleinere Optikschaltkreise sollen einmal die elektronischen Schaltkreise ablösen, da sie weitaus höhere Datenraten erlauben. Die momentan modernste Methode, um Licht auf kleinsten Skalen in integrierten Schaltkreisen weiterzuleiten und zu konzentrieren, nutzt die sogenannte Plasmonik aus. Dabei wird Licht in Schwingungen von Elektronen in Metallen wie Gold umgewandelt, und dadurch ist es möglich, auch auf Längenskalen weit unterhalb einer Wellenlänge Licht zu konzentrieren und weiterzuleiten. Die Voraussetzung dabei sind Metallschichten von höchster Qualität.

Symbolbild der zeitaufgelösten Dynamik
von Plasmonen mit Bahndrehimpuls: Die
Wechselwirkung mit Licht ist durch die
farbige Spirale angedeutet, und die
einzelnen Bilderzu verschiedenen Zeiten
zeigen die Plasmonen mit Bahndrehimpuls.
Der 4-fache Vortex im Zentrum dreht sich.
Die Schwarzweißbilder sind tatsächliche
experimentelle Daten der Exerimente mit
dem Elektronenmikroskop. © Universität
Stuttgart, Bild von Florian Sterl und
Nikolai Strohfeldt.

Bettina Frank aus der Arbeitsgruppe von Harald Giessen in Stuttgart hat eine neue Methode gefunden, um sehr dünne Metallschichten aus Gold mit atomar glatten Oberflächen herzustellen. Die Schichten waren sogar einkristallin, das heißt völlig defektfrei. Dadurch können sich die Plasmonen ungestört und ohne jegliche Streuung an Defekten ausbreiten.

Grisha Spektor aus der Arbeitsgruppe von Meir Orenstein am Technion in Israel hat bei einem Besuch in Deutschland vorgeschlagen, in die Metallfilme mittels Ionenstrahlen Archimedische Spiralen einzuritzen. Diese sorgen dafür, daß Plasmonen mit einem Bahndrehimpuls angeregt werden können. Durch die besondere Geometrie der Unterbrechungen in den Spiralen wurde es möglich, auch Bahndrehimpulse größer als eins anzuregen, was normalerweise mit einem einfachen Polarisator nicht möglich ist – dort hat das Licht nur +1 oder -1 aufgrund seiner Helizität.

Die Gruppen von Martin Aeschlimann in Kaiserslautern und Frank Meyer zu Heringdorf in Duisburg konnten nun mit ihren speziellen Apparaturen, die ultrakurze Laserpulse mit Elektronenmikroskopie kombinieren, die Plasmonen während ihrer Bewegung in den Goldfilmen beobachten. Ein erster Laserpuls trifft die nanostrukturierten Goldfilme, regt an den Kanten der Spiralen Plasmonen an. Diese bewegen sich auf der Oberfläche entlang. Trifft nun ein zweiter Laserpuls auf die Probe, so reicht die Energie des Plasmons kombiniert mit der Energie des Laserpulses aus, um einzelne Elektronen genau dort aus dem Gold herauszuschießen, wo sich ein Plasmon-Wellenberg befunden hat. Diese Elektronen bildet man nun mit einem Elektronenmikroskop ab.

Verändert man den zeitlichen Abstand zwischen den beiden Laserpulsen, kann man ganze Filme der Plasmonenbewegung aufnehmen. Martin Aeschlimann und sein Team, dem auch Deirdre Kilbane aus Irland und Anna Mahro aus Kaiserslautern angehören, hat sich hauptsächlich auf die Plasmonen an der Oberfläche zwischen Metallfilm und Luft konzentriert. Frank Meyer zu Heringdorf in Duisburg und sein Team, dem Doktorand Philip Kahl und Masterstudent Daniel Podbiel angehören, haben sich vor allem auf die kurzreichweitigen Plasmonen an der Grenzfläche zwischen Goldfilm und Siliziumsubstrat spezialisiert.

Aufgrund der verschiedenen Geometrien der Goldstrukturen, die nach dem Rezept von Grisha Spektor von Bettina Frank in Stuttgart mithilfe einer Ionenstrahl-Lithographieanlage hergestellt wurden, konnten erstmals Filme der Bewegung der Plasmonen mit verschiedenen Bahndrehimpulse hergestellt werden, die eine Ortsauflösung von weniger als 10 nm und eine Zeitauflösung im Femtosekundenbereich hatten.

Die aufgenommenen Filme zeigen, wie die Plasmonen spiralförmig ins Zentrum wandern, dort einen sogenannten Vortex bilden, der eine ganze Reihe von hellen Flecken zeigt, diese rotieren je nach Bahndrehimpuls ums Zentrum, um schließlich wieder Plasmonen nach außen zu senden. Die Rotationsdauer beträgt nur wenige optische Zyklen von einigen Femtosekunden.

Die aufgenommenen Filme sind von solch hoher Qualität, daß diese Vortexdynamik erstmals experimentell aufgenommen werden konnte. Was bei einer Galaxie oder einem schwarzen Loch auf einer gigantischen Längenskala abläuft, kann hier erstmals auf der Nanoskala direkt beobachtet werden.

Die Forscher glauben, daß ihre Messmethoden und die erfolgreichen Messungen die Tür aufstoßen zu ganz neuen Verfahren, um Lichtausbreitung auf der Nanoskala zu manipulieren. Zum Beispiel könnte man Quantenbits aus Quantenbauelementen mit solchem Licht kodieren, oder die quirligen Plasmonen könnten mit Materie wechselwirken, die man in die Nähe bringt. Dort könnten sie dann zum Beispiel optische Übergänge veranlassen, die normalerweise verboten sind, was einer ganz neuen Wechselwirkung den Weg ebnen würde.

Experimenteller Aufbau: Ein
Femtosekunden-Laserpuls trifft auf das
monokristalline, atomar glatte Goldplättchen,
in das vorher mithilfe von Ionenstrahl-Ätzen
eine Nanostruktur hineingeschnitten wurde.
Plasmonen werden angeregt. Bei hoher
Plasmonendichte werden Elektronen aus der
Oberfläche ausgelöst, die dann mithilfe eines
Elektronenmikroskops abgebildet werden.
Indem man zwei Laserpulse nacheinander auf
die Probe sendet und die Zeit dazwischen
variiert, kann man durch Aufnahme einer
ganzen Serie von Elektronenmikroskop-
Bildern einen ganzen Film mit der
Bewegung der Plasmonen aufnehmen, der
einem dann die Dynamik der Plasmonen mit
Bahndrehimpuls zeigt. © Universität
Duisburg-Essen.
Elektronenmikroskop-Bilder von langreichweitigen
Oberflächenplasmonen in einer Probe mit
Bahndrehimpuls l=10. Obere Reihe: Experimente.
Untere Reihe: Simulationen. © Universität
Kaiserslautern und Technion Haifa, Experimentelles
Bild aufgenommen von Deirdre Kilbane. Theoretische
Simulation von Grisha Spektor.
Experimentelle Elektronenmikroskopie-Daten von
kurzreichweitigen Plasmonen mit Bahndrehimpuls l=4.
© Universität Duisburg-Essen, Bilder aufgenommen von
Frank Meyer zu Heringdorf, Philip Kahl, und Daniel
Podbiel.
 
Reference

G. Spektor et al., Revealing the subfemtosecond dynamics of orbital angular momentum in nanoplasmonic vortices, Science March 17, 2017

Kontaktinformation

Harald Giessen, University of Stuttgart, Germany
Email: giessen@physik.uni-stuttgart.de
Phone: +49-711-6856 5111
English & Germa

Martin Aeschlimann, University of Kaiserslautern, Germany
Email: ma@physik.uni-kl.de
Phone: +49-631-205-2322
English & German

Frank Meyer zu Heringdorf, University of Duisburg-Essen, Germany
Email: meyerzh@uni-due.de
Phone: +49-203-379-1465
English & German

Meir Orenstein, Technion, Haifa, Israel
Email: meiro@ee.technion.ac.il
Phone: +972 52 8521144
English & Hebrew

Grisha Spektor, Technion, Haifa, Israel
Email: grisha.spektor@gmail.com>
Phone: +972 52 8521144
English & Hebrew

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