Professorin Stefanie Barz (rechts im Bild) und Professor Fedor Jelezko (links im Bild) von IQST gemeinsam am Rednerpult auf der Bühne.

Quantentechnologie radikal interdisziplinär: 10 Jahre IQST

14. Februar 2024

Mit einem internationalen Symposium feierte das Center for Integrated Quantum Science and Technology (IQST) vom 12. bis 14. Februar 2024 sein 10-jähriges Bestehen. Im Interview blicken die Sprecher*innen Prof. Stefanie Barz (Universität Stuttgart) und Prof. Fedor Jelezko (Universität Ulm) auf die Meilensteine der Dekade und skizzieren die Pläne für die Zukunft.
[Bild: Jan Will]

Das Symposium brachte rund 160 international bekannte Quantenexpert*innen zusammen. Wie war die Stimmung?

Stefanie Barz (SB): Wir hatten grandiose Sprecher*innen aus der ganzen Welt, darunter wichtige Impulsgeber*innen aus der Forschung, aber auch aus der Industrie und der Startup-Szene. Das Programm deckte ein sehr breites Themenspektrum ab – von grundlegender Quantenphysik über das Quantencomputing bis zur Quantensensorik. Es war ein wahres Quantenwissenschaftsfest!

Professorin Stefanie Barz von IQST spricht am Rednerpult auf der Bühne. Im Hintergrund ist eine PowerPoint Präsentation zu sehen.
Professorin Stefanie Barz: IQST-Sprecherin und Professorin für Quanteninformationen und -technologie an der Universität Stuttgart.

Welchen Stellenwert haben die Quantentechnologien heute in der Gesellschaft?

Fedor Jelezko (FJ): Auch, wenn Quantenphänomene den meisten Menschen bis heute wenig bekannt sind, können sie doch in vielen Bereichen angewendet werden: in präzisen Uhren, für sichere Kommunikationskanäle oder als Sensoren. Noch vor 10 Jahren war die Quantentechnologie stark in der Grundlagenforschung angesiedelt. Inzwischen haben die anwendungsorientierte Forschung sowie der Transfer in die Industrie an Bedeutung gewonnen. Und es gibt auch einen Transfer der Disziplinen: Die magnetische Resonanz zum Beispiel war ursprünglich ein Forschungsgebiet der Physik, heute ist sie ein wichtiges Thema der Medizintechnik.

SB: Der Entwicklungsstand ist auf den einzelnen Feldern recht unterschiedlich. Während wir in der Quantensensorik oder auch in der Quantenkommunikation schon nah an den Anwendungen sind, dauert es bei Quantencomputern vermutlich noch etwas länger, bis sie relevante Probleme lösen können. Dabei sind die Quantentechnologien längst nicht ausgeforscht, sie erfordern immer noch viel Grundlagenforschung.

Die Vision des IQST war einst die „ganzheitliche Betrachtung der Quantentechnologie von der fundamentalen Quantenphysik über die ingenieurswissenschaftliche Umsetzung bis in die Anwendungen.“ Gilt das noch?

SB: Oh ja! Das IQST stand als eines der ersten Zentren dieser Art weltweit für radikale Interdisziplinarität zwischen der Physik und den Ingenieurwissenschaften, der Informatik, Biologie, Medizin und anderen Fachbereichen. Das wollen wir noch weiter ausbauen, denn die Physik alleine stößt bei der Weiterentwicklung der Quantentechnologien an Grenzen. Wir brauchen andere Disziplinen wie künftig zum Beispiel die Chemie, um zu neuen Ansätzen zu kommen. Neu ist zudem, dass wir den Fokus, der ursprünglich auf die Standorte Stuttgart und Ulm gerichtet war, auf ganz Baden-Württemberg erweitert haben. Beides schlägt sich unter anderem in der Antragsskizze für den Exzellenzcluster „Chem4Quant“ nieder, um den sich die Universitäten Stuttgart und Ulm sowie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Rahmen der Exzellenzstrategie bewerben.

FJ: Darüber hinaus sind wir auch bundesweit sehr gut vernetzt, zum Beispiel über die Quantum Alliance. Und auf internationaler Ebene arbeiten wir eng mit der University of British Columbia in Vancouver, der University of Tokyo und der Hebrew University in Jerusalem zusammen.

Professor Fedor Jelezko von IQST spricht am Rednerpult auf der Bühne. Im Hintergrund ist eine PowerPoint Präsentation zu sehen.
Professor Fedor Jelezko: IQST-Sprecher und Direktor des Instituts für Quantenoptik der Universität Ulm.

Was waren die Meilensteine der ersten Dekade des IQST?

FJ: Ein großer Erfolg gleich zu Anfang war es, dass wir die Quantenwissenschaft als strategisches Thema etablieren konnten. Darauf aufbauend starteten viele Risikoprojekte der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) oder des Europäischen Forschungsrats (ERC). Ein weiterer Meilenstein sind die Netzwerke mit Großunternehmen wie Bosch, IBM, Trumpf oder Zeiss. Und wir haben extrem erfolgreiche Startups hervorgebracht. Wichtig sind auch die neuen Forschungsinfrastrukturen, das Zentrum für Angewandte Quantentechnologie (ZAQuant) in Stuttgart und das Zentrum für Quanten-Biowissenschaften (ZQB) in Ulm. Beide helfen uns im internationalen Wettbewerb sehr.

Und was sind die Pläne für die nächste Dekade?

SB: Die Zukunftsstrategie des IQST dreht sich um drei zentrale Fragen. Erstens: Asking New Questions: Hier geht es um das Verständnis von Quantensystemen an den Grenzen der Disziplinen - von der Quantenphysik und neuen Materialien hin zu innovativen integrierten Geräten. Zweitens: Finding new solutions: Wir wollen Ansätzen aus der Quantensensorik und dem Quantencomputing zur Lösung der großen gesellschaftlichen Probleme nutzen – von der Medizin bis zu energieeffizienten Prozessen oder neuen Materialien für mehr Nachhaltigkeit. Und drittens Creating a ‘quantum-ready’ society: Es gilt, die Quantentechnologie und ihre einzigartigen Möglichkeiten in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Gleichzeitig verstehen wir uns als Sprachrohr in Richtung Industrie, Politik und Gesellschaft. Ebenso wollen wir neue Studiengänge einrichten. Der Begriff „integrated“ steht für die Integration der verschiedenen Disziplinen und zum Teil auch für ein Ökosystem, das Grundlagenforschung, angewandte Forschung und gesellschaftliche Entwicklungen gemeinsam denkt – das zeichnet das IQST aus und daran werden wir weiterarbeiten.

14 I 80+ I 1000+
Das IQST wurde im Jahr 2014 auf Initiative der Professoren Wolfgang Schleich (Universität Ulm) und Tilman Pfau (Universität Stuttgart) gegründet. Mit im Boot war das Max Plack Institut für Festkörperforschung (MPI-FKF) in Stuttgart. Ziel des IQST ist es, durch die Nutzung von Synergien zwischen Physik, Chemie, Ingenieur- und Biowissenschaften das Verständnis der Natur zu verbessern und innovative Technologien auf der Grundlage der Quantenphysik zu entwickeln. Seit der Gründung hat das IQST 14 ERC-Projekte, mehr als 80 Promotionsprojekte und über 1000 Publikationen hervorgebracht.

IQST

Dieses Bild zeigt Jutta Witte

Jutta Witte

Dr.

Wissenschaftsreferentin

 

Hochschulkommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

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